Positive Rundfunkordnung quo vadis? - Medienvielfalt in der globalen Plattformökonomie sichern

Uwe Conradt, LL.M.

28. Juni 2018

Bericht

LMS-Direktor Uwe Conradt erklärte, warum das Saarland in der Welt der globalen Plattformanbieter eine Vorreiterrolle zur Sicherung der Medienordnung einnimmt: Das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff der "positiven Rundfunkordnung" seit der Entscheidung über die Zulässigkeit der Deutschland-Fernsehen-GmbH geprägt. Auf Einladung des Informations- und Medienrechtliches Kolloquium (IMK) ist der Direktor der Landesmedienanstalt Saarland, Uwe Conradt, der Frage nachgegangen, wie es um diese Ordnung steht und ob es sie auch in einer Medienwelt, in der jeder Mensch zum Sender medialer Inhalte werden kann noch braucht?

Als das Bundesverfassungsgericht seine Prinzipien zur Ausgestaltung von Artikel 5 Absatz 1 Satz2 GG ("Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.") aufstellte, war die Veranstaltung von Rundfunk ein exklusives Recht, verbunden mit der Nutzung von knappen Frequenzen, dem Erfordernis von sehr hohen Investitionen zum Aufbau einer Sendeinfrastruktur, gleichzeitig handelte es sich bei jedem Rundfunkangebot immer um ein Massenmedium.

Angesichts der heutigen technischen Mittel, haben sich die Möglichkeiten Rundfunk zu veranstalten grundlegend geändert, aber gilt deshalb auch, dass es keine Risiken für die Sicherung der Vielfalt, die Einhaltung des Gebots der Staatsferne mehr gibt, oder sind neue Gefährdungslagen entstanden?

Wie und durch wen kann Vielfalt tatsächlich bedroht sein. Ist das Internet ein "unendlicher Raum" oder kann er auch vermessen werden und wenn ‚ja’, was sagt uns dies? Welchen Einfluss haben ökonomische Prinzipien für die Entstehung von Plattformen und wie muss die demokratische Gesellschaft darauf reagieren?

Conradts Kernthese lautet: Die Prinzipien des Verfassungsgerichts müssen auch in unserer heutigen Medienwelt durchgesetzt werden, denn Meinungsfreiheit und Medienvielfalt sind Voraussetzungen für Demokratie und Rechtsstaat.

Insbesondere ging er auf die Rolle der Plattformen und Soziale Netzwerke wie Youtube, Facebook, Twitter in seine Vortrag ein. Sie erstellen zwar selbst keine Inhalte, können aber über ihre (Such-)Algorithmen steuern, welche Reichweite ein Beitrag erhält. Dies sei eine "Machtposition, die durchaus vergleichbar ist mit dem Rundfunksystem der 50er Jahre". Nur handele es sich hierbei nicht um nationale Angebote, die vor staatlichem Einfluss geschützt werden müssten, sondern es handelt sich um Angebote, die weltweit in ihren jeweiligen Märkten Gatekeeperpositionen erlangt haben. Durch millionenfache Endkundenbeziehungen für ihre meist kostenlose Angebote, verfügten Sie über den zentralen Rohstoff der Digitalen Welt: Daten.

Die Geschichte der Medienfreiheit ist auch eine Geschichte der Rückschläge, in der Macht über Medien missbraucht wurde, wer sagt uns, dass dies nicht wieder geschehen könnte?

Da der regulatorische Ordnungsrahmen zur Sicherung der Medien- und Meinungsvielfalt bislang auf diese Entwicklung kaum ausgerichtet sei, ist die Digitalisierung die zentrale Herausforderung für die Medienregulierung.

Während in Deutschland sich 16 Landesvermessungsverwaltungen, 225 regionale Vermessungs- und Katasterämter und 1395 öffentlich bestellte Vermessungsingenieure um 53 Millionen Gebäude und 64 Millionen Flurstücke kümmern, scheint die Vermessung des Internets bislang noch an den angeblich "unendlichen Weiten" des Netz zu scheitern. Conradt zeigt in seinem Vortrag auf, wie Technologien schon heute in der Landesmedienanstalt Saarland eingesetzt werden, um eine "Vermessung der digitalen Welt" vorzunehmen.

Auf Basis des saarländischen Medienrechts berichtet die LMS zu Bedeutung einzelner Plattformen, neuer Akteure, Intermediäre oder Übertragungsnetze auf die öffentliche Meinungsbildung sowie die Auffindbarkeit von Rundfunk und Telemedien.

Das bedeutet: Die LMS beobachtet und erfasst, was sich im digitalen Raum tut. Es handelt sich um ein Monitoring von Angeboten und Anbietern mit dem Ziel der Unterrichtung von Politik und Öffentlichkeit.

In seinem Vortrag ging Conradt auf die "Gatekeeper der digitalen Welt" ein, die aus guten Gründen die wertvollsten börsennotierten Unternehmen seien.

Marktstarke Plattformen, Betriebssysteme und Soziale Medien erzeugten enorme komparative Kosten- und Nutzungsvorteile und verdrängten in letzter Instanz alle Mitbewerber in kleine Nischen. Es sie das Marktsetting von natürlichen Monopolen – ein alt-bekanntes Phänomen der Wirtschaftsliteratur. Der Verbraucher sei in seiner Auswahl hierdurch eingeschränkt.

Es handelt sich somit um eine Herausforderung des Rechtsstaates und eine Herausforderung für die gesellschaftliche Ordnung als solche.

In den Rundfunkentscheidungen der Karlsruher Richter wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass Rundfunkfreiheit eine dienende Freiheit ist und die Funktion der ungehinderten und freien Meinungsbildung erfüllen muss. In unserem Verfassungsverständnis muss der Staat zum Schutz der Rundfunkfreiheit Gefährdungen präventiv verhindern. Oder anders gesagt: Es ist verfassungswidrig abzuwarten, bis das Kind ‚Meinungsfreiheit’ im Brunnen liegt.

Insofern ginge es um mehr als "nur" die Sicherung der Meinungsvielfalt, es gehe um mehr als "nur" die Medienordnung und um mehr als "nur" die Wirtschaftsordnung. Es gehe um die Frage der Sicherung der Demokratie und des Rechtsstaats.

LMS-Direktor Conradt stellte heraus, dass von dem Anbeginn des privaten Rundfunks in Europa, der in den 50er Jahren seinen Ausgang im Saarland nahm, über die Entscheidung der Karlsruher Richter über die Zulässigkeit von privatem Rundfunk, es Gesetze des saarländischen Gesetzgebers waren, die eine Vorreiterrolle einnahmen. Mit dem Medienvielfaltsbericht (Vermessung der digitalen Welt) und einer erst kürzlich eingeführten Pflicht zur Etablierung eines Zustellungsbevollmächtigten für Online-Plattformen sei der saarländische Gesetzgeber wiederum bereit gewesen Institutionen so mit Kompetenzen auszustatten, dass Recht effektiv durchgesetzt werden kann und damit auch in der digitalen Welt das Konzept der positiven Medienordnung erhalten bleibt.

Release 3. Juli 2018, 11:44 - OR


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